Geschichte
Geschichte der St. Nikolaus Schützenbruderschaft Natzungen
Der Ursprung der Natzunger Schützenbruderschaft geht auf die Schützengesellschaften des Mittelalters zurück. Leider gibt es aus dieser Zeit keine Dokumente mehr. Nach einem verlorenen Krieg wurden in dem neu gegründeten Königreich Westfalen im Jahre 1809 alle Schützengilden aufgelöst und ihr Vermögen beschlagnahmt. Als Napoleon den Feldzug gegen Russland verloren hatte und die Franzosen aus Deutschland vertrieben wurden, kam mit der Zeit der Wunsch auf, die Schützengesellschaften wieder neu zu gründen.
In einer Sitzung am 08. November 1819 beschloss der Natzunger Gemeinderat unter Ortsvorsteher Freiherr von Sieghardt den Antrag auf Genehmigung einer Neugründung der Schützengesellschaft zu stellen.
Die Neugründung erfolgte dann im Jahre 1835 unter „Commandeur“ Clemens Blömeke. Das Gründungsprotokoll mit seinen 40 Statuten wurde von den 47 erschienen Schützen eigenhändig unterschrieben und von der Königlichen Regierung, Abteilung des Inneren, am 05. Januar 1837 genehmigt und mit Siegel und Unterschrift versehen. 1837 wurde die 1. Fahne beschafft.
Die ersten Schützenfeste wurden auf den Deelen der Bauernhäuser gefeiert. Ab dem Jahre 1887 wird der Gasthof Beller als Festwirt erwähnt. Bis zum Jahre 1899 wurden dann auch in der Gastwirtschaft die Schützenfeste gefeiert. Ab dem Jahr 1899 wurde in Zelten auf der Bleiche (gegenüber der heutigen Gemeindehalle) gefeiert, da die Räume der Gastwirtschaft Beller baufällig und polizeilich gesperrt waren.
Die Natzunger Schützengesellschaft besaß von 1838 bis 1883 eine so genannte Schützenwiese. Diese Schützenwiese, heute steht an dieser Stelle die Gemeindehalle, wurde alljährlich neu verpachtet. Aus dem Erlös wurde Freibier für die Feste gekauft. Bei einer Flurbereinigung 1883 wurde die Schützenwiese enteignet, da die Schützengesellschaft einer Meldepflicht nicht nachkam und später die Eigentumsverhältnisse nicht geklärt werden konnten. Rechtlich war die Wiese nun im Besitz der Gemeinde.
Von 1910 bis 1935 wurde dann im neu erbauten Saal bei Bellers gefeiert. Als aber der Platz hier nicht mehr ausreichte, stellte im Jahre 1935 der derzeitige Oberst August Dierkes seine Scheune zur Verfügung wo die Feste 1935, 1939, 1949 und 1950 gefeiert wurden.
1950 konnte durch eine Spende und einem zinslosen Darlehn von John Dierkes eine neue Schützenhalle gebaut werden. 1951 wurde bereits das erste Schützenfest in der neuen Halle gefeiert.
Über das Königschießen wird in alten Protokollbüchern nichts ausgesagt. Aus Überlieferungen ist bekannt, dass früher das Königschießen vor Hinterthürs Haus stattgefunden hat. Später wurde gegenüber Meyerhans Schmiede Richtung Steinkuhle geschossen. Hier gab es sogar einen kleinen gemauerten Bunker auf der Steinkuhle. 1951 zog man dann in die Halle um und schoss mit dem Luftgewehr auf Zielscheiben. 1985 wurde erstmals die zum Schießstand umgebaute ehemalige Wohnung im Obergeschoß der Halle genutzt. Ab 1999 wird auf einen Holzvogel in der Halle geschossen.
Bei der Generalversammlung von 1976 wurde beschlossen, die Schützenbruderschaft in das Vereinsregister beim Amtsgericht Warburg eintragen zu lassen. Gleichzeitig wurde die Mustersatzung des Bundes der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften angenommen. 2003 wurde diese Satzung aktualisiert und die Schützenbruderschaft für weibliche Mitglieder geöffnet.
Das Königschießen in Natzungen
Zum Schützenfeste gehörte schon immer das Königschießen, aber auch hierüber ist der Ablauf in dem alten Protokollbuch nicht erwähnt worden. Wie die älteren Leute erzählen, fand das Königschießen früher bei Hinterthürs Hause statt. Vor Hinterthürs Hause stand ein großer Lindenbaum and darunter wurde der Schießstand eingerichtet. Geschossen wurde in Otten Hohlweg hinein, der zu Otten Ländereien führt. Als dort neue Häuser gebaut wurden und das sogenannte „Kleinbochum“ erstand, wurde das Schießen hier polizeilich verboten und seit dem Jahre 1924 wurde am Drankhauser Schulweg der König geschossen. Der Schießstand wurde gegenüber von Meyerhans Schmiede aufgebaut und mit 98 er Armeekarabiner wurde mit scharfer Munition über Rekers Garten und Küns Wiese hinweg in die Steinkuhle geschossen.
Beim Königschießen am 25.6.1932 (König Heinrich Wilhelms) wurde ein für 140.- Reichsmark gebauter neuer Schießstand (Unterstand) erstmalig in Betrieb genommen. Er war ein kleiner „Bunker“ und war in der GT6Be 2 x 2 x 3 mtr. auf der Steinkuhle aus Ziegelsteinen erbaut worden. In diesem schusssicheren Unterstand saßen während des Schießens zwei Schützen und jedes Mal wenn ein Schuss gefallen war, wurde die 1 mtr. hohe Zielscheibe mit einem Strick auf der Geleitschiene in den Unterstand gezogen. Die Ringzahl wurde abgelesen und dann die Zielscheibe durch den Spalt von 20 cm Breite und 1.30 mtr. Höhe wieder hinaus geschoben. Auf einer Stange hatte man auf Pappe eine (blinde) Uhr hergestellt. Die Ringzahl wurde eingestellt und dann die Uhr nach draußen gehalten, sodass man auf dem Schießstand bei der Schmiede wusste, wie viele Ringe der Schützen geschossen hatte. Ein pfiffiger Schmiedemeister hatte hinter der großen Zielscheibe ein kleines Patent angebracht, nämlich einen richtigen großen Hampelmann. Hinter der Zielscheibe, genau in der Mitte, befand sich eine tellergroße Blechplatte. Wenn nun ein Schütze eine 10, 11, oder 12 getroffen hatte, also ins „Schwarze“ traf, dann ging durch den Druck der Kugel auf die Blechplatte der Hampelmann hinter der Scheibe hoch. Auf dem Schießstand bei der Schmiede wurde dann schon gejubelt. Dort wussten dann die Zuschauer schon, dass „ins Schwarze“ getroffen worden war, bevor dann erst die Uhr das Resultat anzeigte. Wenn es mal schwer war, einen König zu bekommen, oder wenn der Kandidat nicht gut schießen konnte, dann wurde viel mitgeholfen. Mit einem langen Draht brachte es man auch fertig, dass der Hampelmann Hoch kam, auch wenn der Schützen die Scheibe überhaupt nicht getroffen hatte.
Das Königschießen bei Meyerhans Schmiede war immer ein mit Spannung geladener, schöner Nachmittag und eine urgemütliche Angelegenheit. Die Schmiede war ziemlich ausgeräumt und geschmückt worden. Der Gastwirt Beller hatte dort eine Theke aufgebaut und mehrere Tische aufgestellt. Bier und sonstige Getränke wurden ausgeschenkt und auch Karten wurden in der Schmiede gespielt. Die Kinder konnten Krengeln und Eis kaufen und Süßigkeiten. Die Herren Offiziere saßen in Meyerhans Wohnstube und spielten Doppelkopf und Skat und ließen sich dauernd die Schußergebnisse vom Feldwebel bringen. Wenn man dann schließlich einen König hatte, fand die Proklamation auf dem Schulweg vor der Schmiede statt. Das Königschießen fand in der Regel 14 Tage vor dem Schützenfest statt. Nach der Inflation im Jahre 1926, als das neue Geld noch sehr knapp war, befürchteten die Offiziere, dass man keinen König bekommen könnte. Deshalb fand das Königschießen schon am 18.April statt (König Karl Meyer). Jetzt erst wurde die Musik bestellt und das Schützenfest auf den 11. und 12. Juli beschlossen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Schützenbruderschaft konnte beim Königschießen am 14. Juli 1968 kein König ermittelt werden. Da nun die Festmusik und der Festwirt abgeschlossene Verträge hatten, sah sich der Vorstand gezwungen, 8 Tage später nochmal ein Königschießen zu veranstalten, bei welchem sich schließlich Franz Wegge bereiterklärte, die Königswürde zu übernehmen.
Das letzte Königschießen bei Meyerhans Schmiede fand am 2.Juli 1939 statt (König Meinolf Legge). Der 2.Weltkrieg brachte das Königschießen und die Schützenfeste zum Erliegen. Der Schießstand auf der Steinkuhle verfiel und wurde schließlich nach dem Kriege abgebrochen.
Die Verwendung von Schusswaffen war von der Militärregierung verboten worden und deshalb wurde bei dem ersten Königsschießen nach dem Kriege am 27. Juni 1949 in der Scheune des Bauern August Dierkes mit der Armbrust geschossen. Schon drei Jahre später wurden die Luftgewehre beim König schießen wieder erlaubt und seitdem die Schützenhalle gebaut worden ist, findet das traditionsreiche Königschießen immer in der Halle statt.
Wo feierten die Natzunger Schützen ihre Schützenfeste?
Seit Bestehen der Schützengesellschaft im Jahre 1835 wurden laut dem alten Protokollbuch fast jedes Jahr in Natzungen das Schützenfest gefeiert. Der erste nachweislich ermittelte König war im Jahre 1841 Johann Menne aus Haus Nr. 47 wie das Protokoll vom 3.April bezeugt. Damals gab es aber in Natzungen noch keinen Saal halb wurden lange Jahre die Schützenfeste auf der Deele in den Bauernhäusern gefeiert. So wurde am 30. Mai 1840 das Schützenfest auf der Deele und Räume des Landwirts Franz Werneke Nr. 42 gefeiert. Auch die Futterbühne wurde mitbenutzt. An 15. Juni 1845 fand das Schützenfest im Hause von Josef Hake statt. Bier und Schnaps wurde gekauft von den jüdischen Kaufleute Vorreuter (Natzungen) Neustadt (Borgholz) und Königheim (Borgentreich). Auch der Gastwirt Lücke (Vorgänger vom Gastwirt Beller) wird öfters erwähnt.
Erstmalig im Jahre 1887 wird der Gastwirt Beller als Festwirt protokolliert und er zahlte für die Schanke beim Schützenfest 20 Mark. Bellers hatten in ihrem alten Hause oben im 1. Stock zwei größere Räume (kleiner Saal?) und hier wurde das Fest gefeiert.
Jedoch 12 Jahre später wurde das Fest feiern hier polizeilich verboten wegen Baufälligkeit der Räume. (Protokoll vom 17. Juli 1899). Die nächsten 10 Schützenfeste (1899 bis 1910) wurden nun einem Zelte auf der Bleiche, gegenüber der heutigen Schützenhalle, gefeiert. Das Zelt leihen kostete 1903 12 Mark und kam aus Ossendorf. Im Jahre 1910 erbaute sich der Gastwirt Beller den jetzt noch bestehenden stehenden Saal, wo nunmehr jedes Schützenfest gefeiert wurde. Später wurde an den Saal in Bellers Garten noch ein Zelt angebaut. Im Laufe der Jahre wurde es auch hier zu eng und hatte nicht mehr genügend Platz. Öfters musse „Sollo“ gemacht werden. Das heißt: Mit einem Balkenseil wurde ein großer Tanzpaare von der Tanzfläche abgedrängt und mussten dann im Zelt kurz verweilen, damit die Tanzpaare im Saale genügend Platz hatten und dann wurde abwechselnd getanzt.
Nachdem fast 50 Jahre in Bellers Saale Schützenfest wurde, stellte im Jahre 1935 der Oberst August Dierkes seine Scheune zur Verfügung wo die Feste 1935, 1939, 1949 und 1950 gefeiert.
Der alte Natzunger Nationaltanz – Der „Tappee“
Schon seit alten Zeiten wird auf den Natzunger Schützenfesten der „Tappee“ getanzt. Vor dem 1. .Weltkriege auf allen Festen sogar mehrmals. Die älteren Leute sagten früher: „Dirn Tappee danze ik immer am leiwesten“. Über die Entstehung des „Tappees“ ist im alten Protokollbuch leider nichts verzeichnet. Aber nicht nur in Natzungen wird der Tanz getanzt, sondern auch in Paderborn und Geseke. Dort ist er als „Tempéte“ bekannt und in Geseke als „Tampe“. Nach dem letzten Kriege war dieser Tanz in Natzungen in Vergessenheit geraten. Hauptlehrer Otto Vössing und der gebürtige Natzunger Bahnbeamte Josef Bröer (Bonenburg) haben sich bemüht, die Noten zu beschaffen welche dann der Kapellmeister Heinrich Böker (Dalhausen) erstellt hat und seit dieser Zeit feiert der „Tappee“ auf den Natzunger Festen tiefer fröhliche Urständ.
Möge der „Tappee“ in seiner eigenständigen Weise als von unseren Vätern überliefertes Brauchtum in Natzungen auch weiterhin getanzt werden zur Freude unserer Mitbürger, besonders aber unserer Jugend und zur Ehre und zum Ansehen unserer Heimat.
Bau der Schützenhalle im Jahre 1950 – 1951
Das Feiern der Schützenfeste in der Scheune war gut und schön, aber immer mit viel Arbeit und Umstände verbunden. Die landwirtschaftlichen Geräte und das Stroh musste zuerst aus der Scheune ausgeräumt werden. Der Fußboden musste gelegt werden und Tische und Stühle herangefahren und aufgestellt werden sowie eine Theke und ein Podium für die Musik musste aufgebaut werden. Auch eine provisorische Toilette musste erstellt werden. Und nach dem Feste musste alles wieder aufgeräumt und weggefahren werden.
Angesichts dieser vielen Arbeit und Umstände reifte dann der schon lange gehegte Wunsch, eine neue moderne Festhalle zu bauen. Und das ging dann auch verhältnismäßig schnell. Ein Sohn der Gemeinde Natzungen, der Deutsch-Amerikaner John Dierkes, stellte eine hochherzige Geldspende von 16.000 DM zur Verfügung. Weiter spendete er 7.000 DM für eine Warmluftheizung und gewährte ein zinsloses Darlehn von 25.000 DM. Diese Geldbeträge waren für die damalige Zeit sehr viel Geld, angesichts der Tatsache, dass der Unternehmerlohn des Bauunternehmers damals pro Stunde nur 2,10 DM betrug.
Es nimmt kein Wunder, dass die Schützenbruderschaft nun beherzt die Initiative ergriff und den Hallenbau in Angriff nahm. Die Genehmigung wurde eingeholt und am 5. Mai 1950 wurden die Winkel geschlagen. Am 18. Mai, dem feste Christi Himmelfahrt, wurde der Grundstein gelegt und von den Pfarrern M. Kämper und B. Kaup eingesegnet. Landrat Dr. Koch hielt die Festansprache und der MGV Concordia umrahmte die Feierstunde mit Liedvorträgen. Jeder Maurer arbeitete 3 Tage umsonst und alle Hand- und Spanndienste wurden gratis geleistet. Öfters waren des Abends über 30 Personen mit Spaten und der Schippe am Arbeiten und das Bauvorhaben ging schnell vorwärts. Am 14. Juli 1950 wurde schon Richtfest gefeiert und am 1. September 1950 war die Halle im Rohbau fertig. Mehrere edle Spender stifteten die Türen und Fenster und schließlich war es soweit, dass am 15. und 16. Juli 1951 das erste Schützenfest in der neuen Halle gefeiert werden konnte mit dem Königspaar Hugo Scherf und Maria Bröer. Möge die Schützenhalle auch weiterhin im Mittelpunkt froher Volksfeste und des kulturellen Lebens in Natzungen sein.